19. Jahrgang | Nummer 8 | 11. April 2016

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Matthias Platzeck, Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums – Die Ankündigung der USA, demnächst in Osteuropa eine 4200 Mann starke Panzerbrigade zu stationieren, nannten Sie in der Rheinischen Post einen „falschen Schritt zur falschen Zeit“. Der Satz ist so falsch nicht, doch die Nachrichtenagentur AFP – und mit ihr Medien, die deren Meldung übernahmen – konnte Ihre Aussage nicht unkommentiert lassen: Sie hätten „bereits wiederholt großes Verständnis für die Politik von Russlands Präsident Wladimir Putin gezeigt“. Dabei hatten Sie Verständnis auch für das Sicherheitsbedürfnis der osteuropäischen Nachbarn Russlands geäußert. Aber wer als „Russlandversteher“ gilt, findet hierzulande selten Verständnis. Das haben Sie sicherlich längst verstanden.

Sir David Lean, Meilensteinsetzer des epischen Kinos – Ihre größten Filme blieben dem Kino-Publikum der DDR vorenthalten, denn aus Sicht der damals herrschenden Ideologie waren sie politisch unkorrekt: „Die Brücke am Kwai“ (1957, sieben Oscars) mit einer Paraderolle für Alec Guiness, „Lawrence von Arabien“ (1962, sieben Oscars) mit einem hinreißenden Peter O‘Toole und natürlich vor allem „Dr. Schiwago“ (1965, fünf Oscars), ein Schmachtfetzen monumentalen Ausmaßes mit einem Omar Sharif, der rund um den Globus (unter weitgehender Aussparung der sozialistischen Staatengemeinschaft) keineswegs nur weibliches Publikum aufschluchzen ließ.
Her Majesty hat bereits für geringere Verdienste in den Adelsstand (Knight Commander) erhoben. Am 16. April jährt sich Ihr Todestag zum 25. Mal. Aus Gründen unserer Erscheinungsweise gedenken wir Ihrer schon heute.
Apropos Schiwago – in diesem Falle zeigte sich die Ironie der Geschichte: Die Moskauer Politbürokraten hatten mit ihren Böswilligkeiten gegen dessen Schöpfer Boris Pasternak, den sie zum Verräter stempelten, an der Entgegennahme des Literaturnobelpreises hinderten und sukzessive zermürbten, überhaupt erst dafür gesorgt, dass sich der sonst literarisch nicht unbedingt überragende Roman zum ideologischen Kampfmittel im Kalten Krieg eignete. Das ließ sich die CIA nicht entgehen und sorgte für eine russische Auflage, von der nicht wenige Exemplare in das rote Reich geschmuggelt wurden und dort klandestin kursierten. Auch dies bereitete den Boden für Späteres …

neues deutschland, 70-jährige Zeitung mit zwei Leben – Es ist geraume Zeit vergangen seit den letzten „Losungen zum 1.Mai“ für Ihre geschätzten Leser. Eigentlich erschien es höchst unwahrscheinlich, dass Sie nach der Wende überleben würden. Ihr heutiger Chefredakteur, Tom Strohschneider, schreibt: „Wie ein Türsteher schob sich ND zwischen erlebte Wirklichkeit und Politik. […] Mehr noch: In dieser Zeitung haben furchtbare Dinge gestanden, wurden Linke diffamiert, Menschen verächtlich gemacht, denen der real existierende Sozialismus keine Hoffnung mehr war. Es wurde gelogen. Es wurden reale Zustände und Zusammenhänge vernebelt.“.
Sie sind seither einen weiten Weg gegangen, engagieren sich für Ausgegrenzte, berichten darüber, was viele Medien heute verschweigen, sind eine andere Stimme im Meer der Medien geworden. Und das wichtigste: Sie wähnen sich nicht mehr im Besitz der einen „richtigen Meinung“. Für diesen Weg wünschen wir weiterhin viel Erfolg und interessierte, aufgeschlossene Leser.

Aufmerksamer Blättchen-Leser – Wenn Sie in der Überschrift zu Reinhard Wengiereks „Querbeet“ in dieser Ausgabe den Klammerhinweis darauf vermissen, dass es sich um den 72. oder LXXII. Beitrag dieser seiner Serie handelt, folgt hier die Erklärung: Unter den Blättchen-Redakteuren war – sagen wir es so – ein Dissens aufgebrochen, ob man die Nummerierung wie bisher in römischen oder besser in arabischen Ziffern fortführen solle. Der Verweis auf Tradition und bildungskulturellen Anspruch konkurrierte mit dem Argument der Lesbarkeit. Wer wüsste schon auf den ersten flüchtigen Blick zu sagen, ob es sich bei LXXII um eine Zahl oder eine Konfektionsgröße handelt? In fruchtbarer Diskussion wurde ein Kompromiss gefunden: Wir verzichten auf jede Nummerierung. Stattdessen bekommt Kollege Wengierek, wenn er sein 100. „Querbeet“ geschrieben hat, eine Glückwunschkarte.